Dr. Stephan Marks, Fortbildner, Sozialwissenschaftler und Sachbuchautor,
Freiburg i. B.
Auf das Thema Scham aufmerksam wurde ich durch ein großes Forschungsprojekt, das ich Ende der Neunzigerjahre gegründet habe. Ich wollte eine Frage erforschen, die mich zeitlebens beschäftigt hat. Ich bin 1951 in Deutschland geboren und es war für mich die Frage aller Fragen: Wie war der Nationalsozialismus möglich? Deswegen habe ich in den siebziger Jahren noch Politik, Psychologie und Neue Geschichte und vor allem die Theorien über den Nationalsozialismus vorwärts und rückwärts studiert. Aber es hat niemals wirklich „klick“ gemacht. Die ganzen Theorien haben
mir nicht wirklich eingeleuchtet. Darum habe ich 1998 einen eigenen Zugang zu dieser Frage versucht und ein Projekt begründet.
Wir waren 10 Forscher-Interviewer und haben Interviews mit alten Menschen geführt, ganz normalen alten Menschen, die damals Hitler toll fanden, also Nazi-Anhänger. Wir wollten rauskriegen: Was
hat sie motiviert? Eine Frage, die bis dahin kaum gestellt wurde. Es gibt so viel Forschung und Literatur über Hitler. Aber um zu verstehen, warum die Menschen ihm folgten, musste man meiner Ansicht nach die Menschen befragen und nicht Hitler. Wir haben das gemacht und es war ziemlich
verquer, was in diesen Interviews passiert ist, vor allem wie wir uns danach gefühlt haben, sodass klar war: Wir brauchen dringend Supervision; und in einer Teamsupervision tauchte plötzlich das Thema Scham auf. ...
15 окт 2024