Drei Lieder nach Lina Kostenko (Three Songs after Lina Kostenko)
von/by Florian C. Reithner (contact@fcr-music.com)
I: Lwiwer Tauben (Pigeons of Lviv)
II: Flügel (Wings)
III: Abendsonne, hab Dank (Prayer to the Evening Sun)
Vokalensemble “Music Space”
Einstudierung: Arina Chernenko-Movilyan
Sopran: Kateryna Antonova, Alla Havrylina, Olena Kravchenko, Anastasiia Palii
Mezzosopran: Arina Chernenko-Movilyan, Viktoriia Fedotova, Tetiana Liubaranska, Nataliia Rudenko
Alt: Alena Cakic, Kateryna Sihaieva-Kopylova, Oksana Kozlova
Veronika Villányi, Harfe
Robert Olisa Nzekwu, Violine
Johann Hindler, Klarinette
Florian C. Reithner: Dirigent
Aufnahme/Mix/Mastering: Franz Buchinger
Drei Lieder nach Lina Kostenko
I
Lwiwer Tauben (Lemberger Tauben)
Ein schwarzer Schatten fällt nach unten, pfeilgerade -
Ein weißer Vogel steigt zum Himmel rasch empor.
Und oben krönt die Umrisse der Kathedrale
Ein Fries aus Sonnenstrahlen, eine Taubenspur.
Die Straßen hallen wider von den Menschentrauben,
Wie greise Schultern heben steile Dächer sich.
Über der Stadt beratschlagen die Tauben.
Worum es geht? Um ernste Dinge, sicherlich.
Um diese Kathedrale, um die Menschheit, um den Krieg.
Die große, weite Welt, des Himmels Fernen.
Vielleicht sagt einer, der selbst weit geflogen ist,
Zu seiner Taube: hast du mich denn auch vermisst?.
II
Flügel
Es ist wahr, die Geflügelten brauchen keinen Grund
wo keine Erde, ist Himmelsrund.
Wo kein Feld, ist Freiheit,
wo kein Freund, sind Wolken.
Das sind der Vögel Lehren...
Aber der Mensch, das Menschenleben?
Er lebt auf der Erde, keine Flüge vermag er,
aber er hat Flügel, ja, Flügel hat er!
Seine Flügel sind nicht aus Federn und Daunen,
sondern aus Wahrheit, Kraft, Vertrauen.
Jemand hat sie aus Treue und Lieb.
Jemand aus ewigem Betrieb.
Jemand aus ehrlicher Sorge.
Jemand aus Arbeit und Wärme.
Jemand aus Lied und Hoffnung,
oder aus Traum und Dichtung.
Der Mensch kann zwar nicht fliegen,
aber er hat Flügel, ja, er hat Flügel!
III
***
Hab, Abendsonne, Dank für diesen Tag!
Für die Ermattung, die mich jetzt begleitet.
Für diesen lichten Wald, den ich nicht missen mag
Und für die Kornblumen im goldenen Getreide.
Für deine Morgenröte und dein Abendlicht,
Für jeden Abglanz, der den Horizont versengt.
Dafür, dass wieder mir das Morgen grünt,
Das Gestern seinen Klang mir nicht verdrängt.
Hab Dank für einen Himmel, der im Himmel ist,
Und dafür, dass die Kinder lachen; ich danke dafür,
Dass ich danken kann, und dass ich danken muss
Und dass es Menschen gibt, die ihre Seele sich bewahrten.
Dafür, dass jedes Morgen seine Eingebung erwartet,
Dass irgendwo auf dieser Welt heut noch kein Blut geflossen.
Hab Abendsonne, dank für diesen Tag, für dieses Wort,
Wie ein Gebet, zu dem wir greifen, unverdrossen.
Aus dem Ukrainischen übersetzt von Alois Woldan und Annette Werberger
22 июн 2024
