Ein öffentliches Antisemitismus-Forum in der Starnberger Villa von Hans Albers - das beantragte ein Verein beim aktuellen Immobilienbesitzer, dem Freistaat. Doch plötzlich möchte die TU München das Haus exklusiv für Hochbegabte nutzen und scheint Befürworter im Landtag zu finden. Sieht so ein engagierter Kampf gegen Antisemitismus aus?
Kaum einer weiß, dass Hans Albers viele Jahre am Starnberger See gelebt hat. Der großen Liebe wegen: Hansi Burg war seine Managerin, seine Lebensgefährtin - und sie war Jüdin. Darum zog sich Hans Albers 1935 gemeinsam mit ihr in die Villa am Starnberger See vor den Nationalsozialisten zurück.
Für Gabriella Meros vom deutsch-jüdischen Verein Respect & Remember Europe ist dieser Ort der richtige Platz für einen Lern- und Erinnerungsort, wie sie dem BR Politikmagazin Kontrovers erklärt. Ein öffentliches Forum gegen Antisemitismus. Wenn es nach dem Verein geht, sollen alle hierherkommen können: Schüler, Studierende, alle interessierten Bürger.
"Wir haben gemerkt: Diese Liebesgeschichte zwischen den beiden ist eine unheimliche Solidarität. Und das wichtige ist, dass Jugendliche und überhaupt jeder, der Interesse hat, über diese Liebesgeschichte an die Shoah geführt werden kann. Was heißen Rassengesetze? Was heißt Solidarität? Was ist Antisemitismus?" Gabriella Meros, Respect & Remember Europe e.V.
Dafür hat der Verein einen Antrag an den Freistaat gestellt - dem aktuellen Besitzer der Villa. Seit 10 Jahren steht das Haus am Starnberger See leer. Erst vor einigen Monaten hatte Gabriella Meros dafür gesorgt, dass die Villa unter Denkmalschutz gestellt wurde. Und nach den vielen Bekundungen der Staatsregierung gegen Antisemitismus in den vergangenen Monaten hatte sie sich gute Karten ausgerechnet für ein solches Forum gegen Antisemitismus: "Wieviel solcher Erinnerungsorte gibt es in Bayern? Das wäre in Bayern ein Leuchtturmprojekt, das nach außen strahlen würde, weil wir dadurch eben Jugendliche erreichen könnten."
Antisemitische Vorfälle in Bayern nehmen zu
Seit Jahren steigt die Zahl antisemitischer Straftaten. Allein in Bayern haben antisemitische Vorfälle im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 29,9 Prozent zugenommen, wie der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. ausgewertet hat. Erst im Mai 2021 hat der Landtag deswegen eine Resolution verabschiedet, in der er sich stark macht im Kampf gegen Antisemitismus. Und er verspricht, das Engagement im Kampf gegen Antisemitismus zu unterstützen.
TUM meldet "Staatsbedarf" an
Den deutsch-jüdischen Verein Respect & Remember Europe e.V. stimmte diese Absichtserklärung der Staatsregierung zuversichtlich. Doch jetzt drohen die Pläne des Vereins zu scheitern, denn die in der bayerischen Politik gut vernetzte TU München hat "Staatsbedarf" an der Immobilie angemeldet. Sie möchte die Villa von Hans Albers dafür nutzen, um Studierende ihrer "Jungen Akademie" auszubilden. Ähnlich, wie sie es bereits im Kloster Raitenhaslach in Burghausen macht: Dort ist 2013 ein Akademiezentrum für die TU München eröffnet worden. Auch für dieses Anliegen scheint es nun in der Staatsregierung Befürworter zu geben, etwa im Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Die Technische Universität München begründet ihre Pläne so:
"Dort wollen wir das gesellschaftspolitische Gespür und die interkulturelle Sensibilität unserer Studierenden fördern - fernab ihres Studienalltags am Campus." Schriftliche Stellungnahme TU München
Antisemitismusbeauftragter der Staatsregierung
Doch warum unterstützt die Staatsregierung die Pläne für einen Lernort gegen Antisemitismus in der Hans-Albers-Villa nicht? Damit konfrontiert das Politikmagazin Kontrovers den Antisemitismusbeauftrage der Staatsregierung, der das Anliegen des Vereins nicht unterstützt, obwohl er es irgendwie auch nicht schlecht zu finden scheint.
"Ich glaube, dass diese Idee in ihrer Umsetzbarkeit und mit der Zielrichtung etwas wirklich Spannendes ist und daraus dann Prävention gestaltet - schmiedet, wenn man so will - das ist etwas, das ist glaube ich wirklich innovativ." Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle, CSU
15 Jahre lebten Hans Albers und Hansi Burg in der Villa. Jetzt steht sie leer. Nach Albers Tod verkaufte Hansi Burg die Villa an den Freistaat, mit der Auflage, sie der Allgemeinheit zu Erholungszwecken zur Verfügung zu stellen. Bis heute hat sich der Freistaat nicht daran gehalten. Zu welchem Zweck die Villa am Starnberger See in Zukunft genutzt werden soll, wird der Landtag vielleicht schon bald entscheiden.
Autor: Christian Stücken
Aus der Sendung vom 14.7.2021
Hier geht's zu unserer BR24-Website: www.BR24.de
BR24-Facebook: / br24
BR24-Twitter: / br24
BR24-Instagram: / br24
Kontrovers im Internet: www.br.de/kontr...
Weitere Beiträge von Kontrovers finden Sie auch in der BR Mediathek: www.br.de/medi...
1 окт 2024