Hallo Sascha, es ist im Lauf der Jahrzehnte oft gesagt worden: Möglicherweise ist „Woyzeck“ als Fragment viel besser als es als sauber beendetes, makellos poliertes Drama je hätte sein können. Das passt einfach viel besser zu Woyzecks zerbrochenem, unheilen Leben und der kaputten Welt um ihn her. “Woyzeck“ nimmt so ungeplant viel moderne Literatur vornweg, die das Fertige, Runde, restlos Schlüssige scheut. Schön, dass es Dir so gut gefallen hat. Auch sonst sehr interessantes Video.
@@saschasstorychamber Für interessante und nicht abzuweisende Gedanken bin ich die absolut erste Adresse. Vor allem, wenn ich sie einfach nur anderswo klauen muss. Habe eben erst - ich schaue mich so nach und nach, in überschaubaren Etappen, wie alte Männer Treppen steigen, unter Keuchen und Lungenpfeifen, durch ältere Videos meiner frisch abonnierten Kanäle - mitbekommen, dass Du auf Lehramt studierst. Und von den einst erzengel-mit-flammenschwert-treiben-zum-lesen-kanonischen Klassikern nur wenig an der Uni mitbekommen hast. Auch sehr interessant. Was ist denn an ihre Stelle getreten?
Solange man das vermerkt, ist das ja kein Verbrechen (hab ich zumindest gelernt 😉). Mein Studiengang ist sehr modular aufgebaut, es gab sehr viel Auswahl und sehr wenig Pflicht, was an sich nicht negativ zu bewerten ist. Ich habe aus eigenem Interesse Kurse zu Goethe und Shakespeare besucht, sowie zu Robert Louis Stevenson und Emily Brontë und einigen (klassischen) Dystopien (Orwell, Huxley und auch Suzanne Collins). So kann man bereits ablesen, dass das anglistische/ amerikanistische Institut sehr viel mehr in diese Richtung anbietet. Am germanistischen Institut gibt es (an meiner Uni) eine wahrnehmbare Lücke. Außer zum 100. Geburtstag von Fontane, hat man eher die Wahl zwischen Mediävistik, Früher Neuzeit und Gegenwartsliteratur. Da ich Mediävistik gerne vermeide, belegte ich dann eher Kurse zu Sonetten der FN und aktuellen Gegenwartsromanen, welche dann wirklich maximal 5 Jahre alt sind. Oder man widmet sich einem Ansatz, zum Beispiel habe ich auch ein Interesse für Ecocriticism entwickelt, dort gab es dann „Walden“ von Henry David Thoreau, das „bukolische Tagebuch“ von Wilhelm Lehmann und moderne Gedichte. Es gibt (vielleicht auch aufgrund der Prüfungsformate, die ja jetzt BA und MA sind) aber keine feste Leseliste, die man abarbeitet.
@@saschasstorychamber Danke für die ausführliche, informative Antwort, Sascha. Ich frage mich gerade, wie das "an sich" im zweiten Satz wohl gemeint ist. Ob Du da auf einen Pferdefuß hinweist. Wäre mal ein schönes Thema für ein Video oder sogar mehrere: wie sich das eigene Lesen im Studium verändert, welches Verständnis von Kanon man entwickelt, etc. pp. Gewürzt natürlich mit 1000 lästerlichen Anekdoten über Studis und Dozenten. 😁