Kleine Ergänzung zu "singen - sengen", weil die Frage hier aufkam: Eventuell haben wir es hier doch mit einem Kausativpaar zu tun (wenn ich das Fleisch senge, fängt es an, zu brutzeln, zu zischen oder eben zu singen). So heißt es im Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm unter dem Lemma "sengen" (www.woerterbuchnetz.de/DWB/sengen): "sengen wird gefaszt als bewirkungswort zu singen (singen, knistern machen), so wird singen im mhd. von brätelndem, im feuer zischendem, knisterndem gebraucht [...], ebenso schreien [...] vgl. besonders den gebrauch von kreischen [...]." Eventuell aber auch nicht, denn direkt im darauffolgenden Satz relativieren sie: "vielleicht aber ist sengen von singen völlig zu trennen, sodasz es sich um zwei völlig verschiedene wurzeln handelt" Ähnliches bei Etymonline: www.etymonline.com/word/singe#etymonline_v_23558 Im Etymologischen Wörterbuch von Wolfgang Pfeifer wird die Möglichkeit der Kausativbildung gar nicht erst angesprochen (www.dwds.de/wb/sengen), ebenso nicht im Wiktionary (en.wiktionary.org/wiki/singe#English). Es herrscht also keinerlei Einigkeit. Fast immer wird aber auf das isländische "sangur" 'verbrannt' als Kognat verwiesen. Außer Acht gelassen wird hier aber eine Unstimmigkeit: "singen" geht nämlich auf urgerm. "*singʷaną" zurück. Wenn das isländische "sangur" tatsächlich hiermit zusammenhängen sollte, wäre ein w-Umlaut als Nachwirkung des alten Labiovelars /*gʷ/ zu erwarten, der im heutigen Isländischen zu "söngur" geführt hätte. Vielleicht ist das ein Indiz dafür, dass isl. "sangur" und damit eventuell nhd. "sengen" doch zu einer komplett anderen Wurzel als "singen" gehören.
Interessanterweise funktioniert die gleiche Art der Bildung von kausativen Verben auch in slawischen Sprachen, z.B. im Russischen, für viele "alte" Wörter. Сидеть (sitzen) - садить (setzen), лежать (liegen) - ложить (legen), пить (trinken) - поить (tränken), usw.
Offensichtlich ist ein uraltes Prinzip im Indogermanischen. Es ist nicht ersichtlich, aber das Slawische Wort "dieťa" (Kind) von so einem Verb kommt. Vergleichen wir das russische Wort "piť" (trinken) mit dem Wort "poiť" (tränken). Es gibt ein ähnliches Paar: "doiť" (melken) "diť*" (Milch trinken). Das letze Wort gibt es nicht. Es wurde rekonstruiert. Also "dieťa" bedeutete "ein Milch trinkendes oder spendetes". So hat man ursprünglich Kleinkinder genannt.
kleine Anm. für Nicht-Muttersprachler: ложить gilt als Ghetto, die neutrale Standardform ist класть man benutzt ложить nur perfektiv (mit Vorsilben) oder reflexiv (mit -ся)
Das ist eine rein buchsprachliche Regel. Im wirklichen Leben benutzen Muttersprachler inzwischen häufiger das Verb „ложить“ in allen Formen. Das klingt für sogenannte gebildete Menschen sehr unangenehm, aber die lebendige gesprochene Sprache setzt sich immer durch :)
@@donrumata_ ich sag ja nicht, es wäre nicht ein Stück willkürlich... oder dass es eine hinreichende Bedingung ist, um sich gebildet zu nennen. Aber für viele ist es nach wie vor eine notwendige. man kann alte Schibboleths bewusst ignorieren, aber sie fallen dadurch nicht ersatzlos weg, nur durch andere ersetzt. Die Willkür in der Sprache ist eine konstante Größe und auch die Verfechter lebendiger Sprache (ich glaube, das wurde in den 90-er Jahren bewusst gestreut, - also nicht der Deskriptivismus, der eine legitime Position ist, sondern dass die Sprache von einem Tag auf den anderen _so_ wurde - doch whatevs) suchen sich nur Teile aus.
Ich weiß nicht, ob du evtl. schon einmal behandelt hast, aber ein Video zu dem (zumindest heutigen) Chaos in der Konjugation von "sein" wäre sicherlich interessant!
Im Persischen geht die Bildung vom Kausativ heute noch mit Präsensstamm + ân/âni (+ Pers. Endung) : xordan > essen; xorândan > zum essen veranlassen, daher füttern. Vllt kannst du so etwas auch in dein Video über Indoeuropäische Sprachen aufnehmen. Vielen Dank für deinen tollen Kanal
Verben auf - ln werden aus einem Substantiv, das auf -l endet, +n gebildet. Angel - angeln, Klingel - klingeln. Stimmt das so oder steckt da mehr dahinter? Gerade fällt mir auch auf, dass bei diesen Substantiven auch diese -el Endung ist. Woher kommt die denn?
Hast du weiterführende Lesetipps? Ich finde fast gar nichts, wenn ich nach "jan-verbs" suche. Wiktionary listet sogar 3 ,,-janą"-Suffixe. Wir reden hier über "Etymologie 2 - leitet Kausative von starken Verben ab", ne?
Genau, Nr. 2 haben wir hier. Mir fällt gerade auf, dass ich in der Beschreibung gar keine Quellen angegeben hatte... ein Unding! Ich werde die demnächst mal ergänzen. Ein Standardwerk zu germanischen Verben kann ich dir aber schon einmal nennen: Bammesberger, Alfred (1990): Der Aufbau des germanischen Verbalsystems. Heidelberg: Winter. Für äußerst gelungene Darstellungen (nicht zu den jan-Verben im Allgemeinen, auch wenn sich dort so einiges findet) halte ich auch "From Proto-Indo-European to Proto--Germanic" von Don Ringe sowie "A Comparative Grammar of the Early Germanic Languages" von R.D. Fulk. Ansonsten gibt es in den altgermanischen Referenzgrammatiken, z. B. zum Althochdeutschen (Braune/Heidermanns 2018) oder Gotischen (Braune 2004), natürlich auch einige Passagen zu den jan-Verben.
Wahrscheinlich über einen Umweg. Das starke Verb hängen ist intransitiv und wird gebeugt hängen - hing - gehangen Das schwache Verb hängen ist hingegen intransitiv hängen - hängte - gehängt Ich vermute, dass das früher auch mit "e" geschrieben wurde (das würde in das beschriebene Schema passen) und man sehr viel später für den Infinitiv an der starken Beugung des Ursprungsverbs orientiert hat. Im davon abgeleiteten henken - henkte - gehenkt ist das e hingegen noch erhalten.
Witzig, dass du via gothisch gehst und nicht z.b. Isländisch heranziehst. Funktioniert dort auch ganz gut. Sitja setja, liggja leggja, fara færa, und vieles mehr :)
Stimmt, das Isländische kann man auch immer ganz wunderbar heranziehen, immer wieder cool, was das noch alles an alten Formen bewahrt hat! Ich hab mich im Video jetzt erstmal aufs Gotische beschränkt, weil da auch noch der auslautende Nasal erhalten ist. :)
Kommt "möchten" von "mögen"? Denn dann müsste es eigentlich heißen: "Ich möchte es dir zu helfen" quasi ein "ich würde es mögen dir zu helfen" (Ich mag, ich mochte, ich möchte)