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DIE TRAURIGE GESCHICHTE VOM FALKEN
Leser: Rolf Ludwig
Sprecherin: Elsa Grube-Deister
DIE GESCHICHTE VON FRAU FILIPPA, DIE
DIE GESETZE DER MÄNNER BESCHÄMTE
Leserin: Renate Thormelen
Sprecherin: Elsa Grube-Deister
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DIE GESCHICHTE VOM SCHLAUEN MASSETTO
(Der Nonnengärtner)
Leser: Günther Haack
Sprecherin: Elsa Grube-Deister
DIE GESCHICHTE VON ALIBECH UND DEM EINSIEDLER
Leser: Wolf Kaiser
Sprecherin: Elsa Grube-Deister
Schallplatteneinrichtung: Ursula Püschel
Regie: Renate Thormelen
Covertext:
Im Jahre 1348 wütet in Florenz die Pest. Diese furchtbare Seuche hat die Gesetze menschlichen Zusammenlebens aufgehoben. Jeder ist sich selbst der Nächste, und, den Tod vor Augen, versuchen die Menschen vom Leben zu erraffen, was ihnen in die Hande fällt. Da treffen in einer Kirche sieben junge Damen und drei junge Herren aufeinander, deren Angehörige entweder tot sind oder sich nicht mehr um sie kümmern, und sie beschließen, sich gemeinsam außerhalb der Stadt in Sicherheit zu bringen. Aus dieser Situation gewinnt Giovanni Boccaccio die Rahmenerzählung seines Dekamerone, in und mit der er von vornherein für die Freiheiten, die etwa vorkommen möchten, Entgegenkommen in Anspruch nimmt. Aber wer hat in 600 Jahren dem Dichter je ernsthaft gezürnt? Als er sich nach dem ersten Drittel seines Buches an die Kritiker des Vorliegenden wendet, nennt er die, die ihm in dieser Hinsicht gram sein könnten: „Für wahr, nur wer die Freuden und die Macht der Liebe nicht kennt und fühlt, wer euch -- die holden Frauen -- nicht liebt noch wünscht geliebt zu werden, kann mich tadeln." Solchen Tadel weist er mit dem Selbstbewußtsein eines Mannes, der seine Sache gut gegründet weiß ab: „Und wenig kümmert's mich."
Zehn junge Leute erzählen eine novella -- eine Neuigkeit. Was tut's, daß diese Novellen mitunter so neu nicht waren, daß sie vielleicht schon die Gesta romanorum oder andere Sammlungen beliebter Erzählstoffe enthalten hatten? Waren sie doch neu in des Boccaccio eignem Zuschnitt, und sein Buch wurde ja in der Zukunft ebenso eine Quelle für andere Dichter. Lessing entnahm ihm die Ringparabel, mit der der weise Nathan dem Sultan Soladin antwortet, als er gefragt ist, welches die wahre Religion sei.
Was aber erzählen sich die zehn jungen Leute? Der Dichter sagt: „Die Geschichten wissen von süßen und bitteren Liebesabenteuern und vielerlei wunderlichen Begebenheiten aus alter und neuer Zeit."
Die Geschichten strotzen vor Unwahrscheinlichkeiten, und manchmal zwinkert uns der Dichter selber zu, daß wir nicht alles allzu wörtlich nehmen möchten, was da zur Sprache kommt. Aber was zum Vergnügen der Zuhörer berichtet wird, will auch etwas sagen -- standhafte Liebe loben, Treue rühmen, Großmut bewundern, Einfalt und Aberglauben verspotten --, und dafür braucht es offensichtlich stärkere Belege als gewöhnlichen florentinischen Alltag. Zwei Themen aber brechen immer durch, ganz gleich, was zu berichten man sich vorgenommen hat. Das eine ist der Preis des menschlichen Kopfes, das andere das Lob der Liebe.
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U. Püschel
17 июл 2012