Wilhelm Backhaus und Günter Wand, jene beiden großen deutschen Künstler, werden immer wieder eingeholt von den Gesetzen der Musik, die ihre Selbsteinschätzung sanft korrigiert, als würden sie von ihr geleitet, zu der wahren Bestimmung hin. Sie sind sich ähnlich und vom Typus her in gewisser Weise verwandt. Da ist zunächst die fast ansteckende Bescheidenheit und die daraus resultierende nicht vorhandene Eitelkeit, unter deren Gegenteil so viele Stars selbstverliebt leiden. Da wird der Weg frei, zum Kern der Musik vorzudringen, was dann zu einer Musikalität führt, die untrügerisch ist und bezwingend ihren Lauf nimmt. Da gibt es kein 'Wenn und Aber' mehr, alles geschieht so, wie von Ferne gesteuert.
Freilich ist dieser Prozess nur auf den ersten Blick verschiedenartig, im Grunde ist es bei beiden Künstlern dasselbe wundersame Geschehen.
Wilhelm Backhaus galt zumindest in Deutschland als gefühlsverneinender, kaltblütiger Beethoven-Interpret, der sich vor jedem Ritardando fürchtete und der eine dementsprechende Selbsteinschätzung vor sich hertrug. Jedoch, wenn er plötzlich Schumann oder Chopin spielte, so vergaß er das alles und sein wahres Selbst wurde hörbar: schwärmerisch, frei im Tempo durch eine fantasievolle Agogik, mit einem herrlichen Ton und Klang. Er vergaß dann den Klassiker Backhaus und ein schwärmerischer Davidsbündler öffnete seine romantische Seele, deren klassischer Anspruch von der Musik selbst korrigiert wurde, hingezogen zur Romantik. Sie zeigte ihm, wie es zu sein hat, er konnte nicht anders.
Günter Wand wurde oft 'Meister der heiligen Nüchternheit' genannt, der am liebsten in einer Kemenate des Klosters mit der Partitur in der Hand, etwas vorbereitete, um dann mit vielen Proben vor dem Orchester seine Details zu erarbeiten, ganz wie er es wollte: penibel, detailversessen und präzise. Jedoch, wenn er Bruckner dirigierte, kam sein wahres Naturell zum Tragen. Man fühlt sich als Hörer direkt in die gotische Zeit des späten Mittelalters versetzt. Er ließ los und siehe da, es war nichts mehr übrig von diesem asketischen, etwas engstirnigen Streben, alles fügte die Musik zusammen. Man hört zwar alle Details im Orchester, aber eingebettet in einen größeren musikalischen Atem. Und es gelangen ihm, durch immense Spannungsbögen gehalten, quasi sinnliche Bekenntnisse, die von tiefer Gottesliebe und Ehrfurcht zeugten.
Diese beiden Charaktere begegnen sich nun hier bei Robert Schumann und alles klingt so, als ob zwei Saiten einer Seele auf ein Instrument gespannt würden und miteinander wettstreiten, um dann vereinigend zu verschmelzen, zu einer Hauptsaite, einer prächtig schimmernden Saite, aufgeladen mit profunder Musikalität und wahrhaftiger Liebe zur Musik.
berlinzerberus
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Robert Schumann [1810-1856]
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll opus 54
I. Allegro affetuoso
Wilhelm Backhaus, Klavier
Wiener Philharmoniker
Günter Wand, Leitung
by berlinzerberus
15 окт 2024
