Auf den Straßen werden sie immer mehr: die "Rider" - Fahrradkuriere mit ihren Lieferrucksäcken. Burger, Pizza, Frühlingsrollen. In der Corona-Krise brummt das Liefer-Geschäft mit Essen. Ganz vorne mit dabei: Lieferando. Deren Fahrer strampeln hart für ihr Geld. Ein guter Stundenlohn ist kaum zu schaffen. Viele Beschäftige fühlen sich selbst "ausgeliefert". Und Restaurants spüren ihre Abhängigkeit von Deutschlands größtem Essens-Lieferdienst. Der Mutterkonzern "Just Eat takeaway" konnte seinen Umsatz in Deutschland mehr als verdoppeln - Tendenz stark steigend. Unsere Reportage: Wie ein Plattform-Unternehmen in der Krise profitiert und die Menschen dahinter aus dem Blick verliert.
++ Bei 11:30 ist uns leider die falsche Jahreszahl reingerutscht. Wir haben Elmar im Sommer 2020 begleitet, nicht im Sommer 2019.++
Während viele Innenstädte in der Corona-Pandemie wie leergefegt sind, ist für Elmar Ewaldt Rushhour. Der 51-Jährige arbeitet als Fahrer für Lieferando in Nürnberg. Zu Beginn seiner Schicht holt er ein Elektro-Fahrrad an einem Fahrradsammelplatz ab - ein sogenannter Hub. Rund 20 Prozent der Fahrerinnen und Fahrer nutzen ein gestelltes Elektrofahrrad von Lieferando. Elmar Ewaldt schaut sich die Fahrräder immer genau an, bevor er eines auswählt, das ihm am sichersten erscheint.
Arbeitsunfälle verhindern durch Kontrollen
Insgesamt fahren rund 5.000 Fahrerinnen und Fahrer in orangefarbenen Uniformen durch deutsche Städte. Tendenz steigend. Lieferando suche aktuell 1.000 weitere Rider, so der Konzern. Zwar sind alle sogenannten Rider durch das Unternehmen Lieferando dazu angewiesen, ihr Rad zu jedem Schichtbeginn zu prüfen, doch der Lieferdienst gibt auch an, die Fahrräder seien in angemessenem Zustand und würden professionell und regelmäßig geprüft.
Diese Prüfung findet in den Fahrradstellplätzen statt und sogenannte Hub-Aids kümmern sich darum, dass die Fahrräder letztendlich verkehrssicher ausgegeben werden. "Die sind aber nicht qualifiziert", kritisieren die Lieferando-Betriebsräte Philipp Schurk und Chayan Díaz Fuentes. Wegen diverser Mängel, wie kaputten Tretlagern und nicht verschraubten Radnaben, sei es zuletzt vermehrt zu Arbeitsunfällen gekommen - so der Vorwurf der Betriebsräte.
Doch beim Versuch einer Begehung eines Hubs wird den Betriebsräten der Zutritt von einem Hub-Mitarbeiter zunächst verweigert. Erst nachdem sie rechtliche Schritte androhen, dürfen sie doch eintreten. Von einer Begehung ohne Ankündigung kann nun nicht mehr die Rede sein.
Bisher gibt es Betriebsräte in nur vier Lieferando-Städten: Berlin, Köln, Stuttgart und Frankfurt. Neugründungen scheinen schwierig.
"Also wir mussten in Frankfurt über zwei Instanzen klagen, um Mitarbeiterlisten zu bekommen, die die Voraussetzungen sind für die Durchführung von Betriebsratswahlen. Erst als wir mit der Vollstreckungsklage gedroht haben, hat man uns diese Mitarbeiterlisten überstellt." sagt Philipp Schurk, Betriebsrat in Frankfurt. Dort stellte das Gericht "nicht kooperatives Verhalten des Arbeitgebers" fest. Lieferando wollte Mitarbeiterlisten, die Voraussetzung für die Durchführung einer Betriebsratswahl sind, nicht an den Wahlvorstand weitergeben. Selbiger Sachverhalt in Köln. Mitgründer Jörg Gerbig räumt ein, dass es hier durchaus Nachholbedarf gäbe. Grundsätzlich begrüße er aber die Mitbestimmung der Mitarbeiter: "Klar, wir wachsen sehr stark und da kann es auch mal zu Sachen kommen, wo wir vielleicht nachbessern müssen. Aber wir sind durchaus gewillt hier beste Bedingungen für unsere Mitarbeiter und Fahrer zu bereiten."
Nach Angaben des Unternehmens sind alle Fahrerinnen und Fahrer sozialversicherungspflichtig beschäftigt und festangestellt. Doch Gewerkschaften kritisieren, dass die allermeisten der Fahrerinnen und Fahrer nur befristete Einjahresverträge erhielten oder Minijobber seien. Lieferando gibt an, dass die Fahrerinnen und Fahrer mehr als 12 Euro pro Stunde im deutschlandweiten Durchschnitt verdienen inklusive variabler Komponenten - in nachfragestarken Regionen inklusive Trinkgeld sogar bis zu 18,50 Euro pro Stunde. Davon ist Ewaldt nach seiner Schicht weit entfernt. Inklusive Trinkgeld sind an diesem Tag etwa 11 Euro pro Stunde zusammengekommen. Um das zu ändern, will sich Elmar in Zukunft als Betriebsrat für einen höheren Basislohn stark machen und sich für die Interessen seiner Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Das ist seine Motivation, den Job weiterzumachen. Er hofft, dass von dem Erfolg des Krisen-Gewinners Lieferando am Ende auch die Rider profitieren.
"Die Story" - unser wöchentliches Doku- und Reportageformat aus der Kontrovers-Redaktion des Bayerischen Rundfunks. Jeden Mittwoch um 16 Uhr auf diesem Kanal.
Autoren: Johannes Lenz und Verena Schälter
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19 янв 2021