Am 5.September 1987 kam es im Passionsspielhaus Erl zu einer faszinierenden Aufführung der "Carmina Burana" von Carl Orff!
Der Inntalchor unter der Leitung von Jürgen Doetsch präsentierte die "Carmina Burana" szenisch in einer äußerst originellen Bühnengestaltung mit großem Orchester! Eine Delegation der Orff-Gesellschaft erlebte im Beisein der Orff-Witwe Liselotte eine bis dato nicht dagewesene Interpretation, wesentlich charakterisiert durch die Inszenierungsideen von Marlene Ebner (auch Kostüme) und Hans Gfäller!
Liselotte Orff selbst gestand nach dem Konzert: "Dieses Bühnenspektakel war so ganz im Sinne meines verstorbenen Mannes!"
Rezensent Klaus J. Schönmetzler fasste in seinem Bericht die Ereignisse des Abends zusammen unter dem Titel
"Oratorium und Volkstheater - Jubelstürme für die "Carmina Burana" des Inntalchors in Erl" ...
Zusammenfassung: "Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Und wo sich das Außerordentliche, unvermutbar Sensationelle zuträgt, hat man auch ein Recht, es sensationell zu nennen. Also: Diese "Carmina Burana" war eine Sensation. Etwas hierzulande so nicht Dagewesenes. Ein Wagestück, daß einen steilen Gipfelpunkt in den musikalischen Sommer setzte. Ein kühner Ideenreichtum, eine ins Geniale umgeschlagene Improvisation!
Die Instrumentalisten des riesigen Orchesters waren als lebendiger Teil der Inszenierung im Bühnenhintergrund aufgetürmt. Wie hier mit Gruppen und Solisten gespielt wurde, läßt sich nur in Schlaglichtern erhellen: Wie - zum Beispiel die vergnügte "Chunegin von Engellant" an langem Seil von halsbrecherischer Höhe stürzend beängstigend ins Publikum schleuderte. Wie zum "Floret silva" Wolken bunter Blütenblätter aus dem Erler Himmel regneten. Wie beim "mandaliet" Chordamen fabelhaft gymnastisch das Bühnenportal in voller Höhe erklommen und dabei auch noch recht sauber sangen ... unübersehbare Risikobereitschaft!
Doetsch selbst hat den Abend nicht nur mitinszeniert und musikalisch klar geleitet: er hat ihn auch auf eine aberwitzige, sich selbst radikal ausliefernde Weise um die eigene Person herumgebaut. Er war allgegenwärtig. Ragte anfangs, durch Punktlicht hervorgehoben, aus dem dichtgeballten Chor. Ging dann als einer unter vielen in der Menge auf. Stand auf einmal in Stroh gewickelt als ein Perchtenteufel in der Bühnenmitte. Schlug am Biertisch unter gröhlenden Männern Takt. Sang im Sextett vorn an der Rampe mit: und zum Finale wagte er so etwas Egomanisches wie Enormes. der Chor trat da im Goldlicht an die Rampe. Streifte darauf stumm und traurig die Kostümhauben ab. Wich in den Raum zurück. Und auf den ersten Schlag des "O Fortuna" fiel das Licht braunschwarz in sich zusammen, alles sank wie tot zu Boden. Während einzig Doetsch hoch aufgerichtet als ein zürnender Jehova seine Metren ins Orchester schleuderte: Der Dirigent als Schicksalsgott.
Unglaublich, was Doetsch, szenisch tief verstrickt, aus seinem Orchester an Präzision und Wucht herausschlug. Noch unglaublicher, was er dem Inntalchor an Prägnanz und dröhnender Kraft abzwang.
Und unglaublich endlich auch die Kunst der Solisten (Chormitglieder!): Annerl Resch mit einer lupenreinen kultivierten Leistung. Hans Petrat in der heldischen, auch tänzerisch betont athletisch angelegten, neuerfundenen Tenorpartie. Hans Gfäller als nachdenklich konzentrierter Bariton.
Daß ein solcher, Grenzen und Konventionen sprengender Abend Stimmungen entfachen würde, war vorauszusehen: Am Ende gab es keinen Applaus: Es gab einen Aufschrei, ewig fortwährende Ovationen. Brüllende Begeisterung!
26 авг 2024
