Inhalt:
William Mastrosimone beschreibt in Tagträumer eine lyrisch-sanfte Liebesgeschichte. Rose, Verkäuferin in einem Billigladen, lernt dort Cliff, einen Lastwagenfahrer, kennen. Ein Aufeinanderprallen zweier amerikanischer Archetypen, die Nachfolger der Cowboys und Saloonfrauen. Der Truckfahrer geht zur Kasse, und Rose wünscht sich, dass er zurückkommt. Und es passiert. Rose hat Angst vor ihrer eigenen Courage, will wieder weg. Doch Cliff will mit der Frau allein sein, startet seine Annäherungsversuche. Rose befindet sich in der Abwehr und durch diese Abwehr zeigt sie immer mehr von ihrer Person. Als er beschließt zu gehen, bittet ihn Rose, ihr seinen Pullover zu schenken. Er tut es und geht. Irgendwas hat Cliff an Rose interessiert. So dreht er auf der Autobahn um und fährt zurück. Rose liegt im Bett, trägt Cliffs Pullover und phantasiert, wie sie mit ihm im Truck über die Berge fährt. Als er sieht, dass sie seinen Pullover trägt, lässt er sich nicht mehr abschütteln. Mit wunderbarem Einfühlungsvermögen nähert sich der Mann der Frau, dringt in ihre Phantasie ein, phantasiert mit ihr zusammen über Wind, Sonne, Wärme und lässt sie dies körperlich erleben.
Für The Woolgatherer erhielt William Mastrosimone den Los Angeles Drama Critics Award.
Text:
Du findest das Ganze vielleicht komisch. Aber ich war die Letzte, die sie lebend gesehen hat, im letz- ten Sommer. Es gab nur sieben von ihnen auf der ganzen Welt. Im Zoo lebten vier davon. Jeden Abend bin ich hingegangen, nur um zu sehen, wie sie da so still im Wasser stehen, und sie schritten so anmutig, langsam, und sie hatten Beine, die waren so dünn, wie mein kleiner Finger. Ganz lange Beine. Und es gab nur sieben von ihnen auf der ganzen Welt, alle anderen sind umgebracht worden, damit sie Federn hatten, als Schmuck für die Damenhüte, oder so was. Dann, eines Nachts, kam eine Bande von Jungs vorbei, sie hielten Radios an ihre Ohren, und sie sagten so schmut- zige Sachen zu mir, weißt du, F... und all so was.
Und, verstehst du, ich war völlig erschrocken. Und dann fingen sie an, widerliche Sachen zu mir zu sagen, weißt du, dreckige Sachen und haben über die Vögel gelacht. Und einer dieser Jungs nahm einen Stein und warf ihn ins Wasser, so daß die Vögel ganz naß wurden, und dann nahm ein ande- rer einen Stein und warf ihn, und die Vögel wurden naßgespritzt. Und dann fingen sie alle an, mit Steinen nach den Vögeln zu werfen, und ich fing an zu schreien: AUFHÖREN! Und ein Vogel wurde am Bein getroffen, und es brach wie trockenes Stroh, und die Vögel kippten ins Wasser und schlugen mit den Flügeln, und diese Bengel lachten und warfen weiter Steine, und ich schrie weiter: AUFHÖREN! AUFHÖREN! Aber sie hörten mich nicht, die Radiomusik war so laut, und sie lachten und fluchten weiter und hörten nicht auf mit dem Steinewerfen, und dann rannte ich los, um den Tierwärter zu holen, und der nahm seinen Schlagstock, und wir rannten zurück zum Vogel- teich, aber diese Jungen waren schon verschwun- den. Und da waren lauter weiße Federn auf dem Wasser. Und das Wasser war ganz ruhig, aber voller Blut. Und die Vögel lagen unbeweglich da. Ihre Schnäbel ein wenig offen. Mit gebrochenen Beinen. Mit eingezogenen Zehen. Stille. Als sei die Welt stehengeblieben. Der Tierwärter sagte irgendwas zu mir. Aber ich konnte ihn nicht hören. Ich sah nur seinen Mund, der sich bewegte. Und ich begann zu schreien. Und dann kamen die Po- lizisten und brachten mich ins Krankenhaus. Und sie gaben mir eine Spritze, damit ich aufhörte zu schreien. Und diese Bande haben sie nie gefaßt. Selbst wenn, was hätte es denn schon genützt? Sie können die Vögel nicht wieder lebendig machen.
Erhältlich auf: amzn.to/2YHHhfO
6 июл 2019
